Surseer Woche: Sie wartet nicht auf Elite – die Elite wartet auf sie
Sie wartet nicht auf Elite – die Elite wartet auf sie
Als Ersatzathletin erlebte Nora Gmür aus Schenkon hautnah die Olympischen Spiele in Paris. Die aufstrebende Triathletin beendete ihre letzte Saison in der Kategorie U23 mit Resultaten, die sich zeigen lassen.
Strebt man eine Profikarriere an, gehört der Triathlon mit den drei Disziplinen Schwimmen, Velofahren und Laufen zu den brutalsten Ausdauersportarten überhaupt. Möchte man sich ans Weltklasse-Niveau herantasten, gibt es keinen trainingsfreien Tag. Die Sportkleider stehen tagtäglich in Gebrauch.
In einer normalen Trainingswoche sammeln sich 25 bis 30 Stunden an, erzählt Nora Gmür. «Auf diesem Trainingspensum unterscheidet man aber zwischen härteren Trainings und Erholungseinheiten. Der Müdigkeit der Muskulatur steuern wir mit aktiver Erholung entgegen. Massagen und ausreichender Schlaf ergänzen dies zusätzlich.» Seit April 2023 absolviert die 23-Jährige alle Trainings kompakt am selben Ort im britischen Leeds zusammen mit Weltspitzen-Grössen wie Beth Potter. Aber nicht nur optimale Trainingsvoraussetzungen bedingen den Erfolg im Leistungssport: «Der Sport ist trainingsaufwändig. Aber die Umstände, also die ‘Auf und Abs’ sowie Verletzungen oder Krankheit, sind nicht zu beeinflussen. Erfolg erfordert aus diesem Grund die richtige Einstellung; positiv bleiben und das Ziel vor Augen behalten. Er setzt Wille und Durchhaltevermögen voraus.»
Inspiriert durch nationale Weltklasse-Grösse
An den Olympischen Spielen anno 2012 in London verfolgte auch die damals 11-jährige Nora Gmür mit der Familie den Zweikampf zwischen Nicola Spirig und der Schwedin Lisa Norden. Nur neun Hundertstel Sekunden entschieden damals zugunsten der Schweizerin und liessen sie die Goldmedaille in die Höhe halten. Die Leistungen von Spirig habe die sportbegeisterte Gmür im Kindesalter inspiriert: «Als ich noch Juniorin war, war Nicola Spirig noch aktive Triathletin. Damals war es mir natürlich eine riesige Ehre, mit ihr ins Trainingslager oder an Wettkämpfe zu gehen. Ich habe sie auch immer als nette Person empfunden und gemerkt, dass sie sehr hart für ihre Ziele arbeitet, sei dies im Sport oder im Privatleben. Das hat mir gezeigt, dass mit viel Durchhaltewillen und Disziplin sehr vieles möglich ist.» Heutzutage treffe sie Spirig im Rahmen von Workshops mit der Schuhmarke On. Dort erhalte sie von ihr wertvolle Tipps zu verschiedenen Themen in Bezug auf die Profikarriere, wofür Gmür sehr dankbar sei.
Dem Triathlon verfallen
Die Begegnung an der Olympia 2012 hat Gmür vom Triathlon überzeugt. Nebst dem Laufen entwickelte sie auch die Leidenschaft zum Schwimmen und Velofahren. Was mit Spass anfing, wurde 2018 durch die Einbeziehung eines Trainers koordinierter und für Gmür war klar, dass sie den Sport professionell ausüben möchte. Nur ein Jahr später durfte sie erste Früchte der harten Trainings ernten: 2019 feierte sie in der Junioren-Kategorie U23 den Vize-Europameister-Titel in der Standarddisziplin – 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Velofahren und 10 Kilometer Laufen. «Mit diesem Erfolgserlebnis erreichte ich einen wichtigen Meilenstein. Es bestätigte mich im Tun und gab mir Mut für die Zukunft», sagt Gmür, die ihr Studium an der internationalen Hochschule in Medien Design nach einem Jahr unterbrach, um sich ganz dem Triathlon widmen zu können. Ähnlich könnte es ihr mit den Leistungen der vergangenen Monate gehen. Lag sie vor einem Monat noch mit einer bakteriellen Darminfektion im Bett, so erreichte sie im letzten Europacup der Saison, am 27. Oktober, den 6. Rang. Zum ersten Mal habe sie bei einem Europa- oder Weltcup als erste Athletin das Meer verlassen. Die Kraft habe allerdings wegen dem Trainingsrückstand zuletzt im Rennen für eine Medaille nicht ausgereicht. Ausserdem durfte das Mitglied des B-Kaders Swiss Triathlon als Ersatzathletin bei den Olympischen Spielen in Paris wertvolle Erfahrungen sammeln: Kollegin Julie Derron, die an der Olympiade in diesem Jahr Silber gewann, gewährte ihr Einblick hinter die Kulissen.
Sich in der Elite behaupten
Zusammen mit dem Trainer plant sie jeweils die Saison. Organisieren müsse sie die Hälfte der Rennen allerdings selbst. Mit dem Start der nächsten Triathlon-Saison fasst Gmür das erste Mal Fuss in der Elite. Auf der höchsten Stufe misst sie sich mit den stärksten Triathletinnen der Welt, um zur Weltspitze hochzuklettern. Doch bevor die Vorbereitungen der Wettkämpfe in der Elite in England wieder starten, erholt sie sich in einer dreiwöchigen Pause, die sie teils zu Hause in Schenkon verbringt. «In der ersten Woche ist es immer schön, gar nichts tun zu müssen, früh morgens nicht ins kalte Wasser springen zu müssen oder ausschlafen zu können. Aber langsam vermisse ich meine gewohnte Tagesstruktur.»
Als Schweizer Triathletin Sponsoren zu finden, sei eine Herausforderung. Gleichzeitig sei es ohne Unterstützer nicht möglich, der Sportkarriere nachzugehen. Kosten in der Höhe von bis zu 60’000 Franken sammeln sich in einer Saison an. Der grösste Kostenpunkt seien die Reisen und das WG-Zimmer in Leeds. Druck, an Wettkämpfen immer die besten Resultate erbringen zu müssen, verspüre sie aber nicht. Im Gegenteil, Förderer motivieren Gmür: «Ich mache mir schon Gedanken über die Zukunft. Es ist nicht selbstverständlich, dass Sponsoren in mich investieren. Dem stehe ich mit grosser Wertschätzung gegenüber. Und es spornt mich an, jeden Tag meine Fähigkeiten voll auszuschöpfen, um meine Ziele zu erreichen.»